Das Harry Potter Problem


Das Harry Potter Problem

(Yay, das erste Mal passiert hier mal ein wenig etwas anderes. Für die Zukunft habe ich noch einige andere Dinge geplant, aber bis dahin könnte es noch ein wenig dauern. Also erstmal dies. Ein Problem, das nicht sonderlich schlimm ist. Das hier ist übrigens nicht wirklich strukturiert oder zielorientiert. Ich erzähle nur ein wenig was. Über Harry Potter, falls das nicht schon offensichtlich ist. Wenn dich das nicht interessiert, dann ist das in Ordnung, man darf dies hier gerne überlesen. Es sind wirklich nur Gedanken, die ich aufschreiben wollte.)

(Ach, übrigens, solltest du die Reihe noch nicht kennen, folgendes:
  1. Du solltest ernsthaft in Betracht ziehen, die Bücher zu lesen - oder zumindest die Hörbücher zu hören. Sie sind gut, ich kann sie nur empfehlen.
  2. Lies das hier vielleicht erstmal nicht, denn ich werde Spoiler einfügen. Wenn dich das nicht stört, dann tu was du nicht lassen kannst.
Ansonsten: Enjoy.)

Gut. Lasst uns anfangen.

Wie so viele andere Kinder (besonders meines Alters - mehr oder weniger), bin ich mit Harry Potter aufgewachsen. Als ich klein war, hat meine Mutter uns die Bücher vorgelesen, bei meiner Oma haben wir die Filme geschaut, schliesslich habe ich alle neuen Bücher selber gelesen und jahrelang die Hörbücher (ungekürzt - ich mag gekürzte Hörbücher nicht, meistens ist viel zu offensichtlich, was rausgestrichen worden ist und mich nervt das) zum einschlafen gehört. Wenn man mir eine halbe Seite aus irgendeinem der Bücher vorliest, da bin ich mir ziemlich sicher, könnte ich nicht nur sagen, aus welchem Buch es ist, sondern auch sehr detailliert erzählen, was gerade passiert. Oder zumindest war es lange so.

Ich bin aufgewachsen in eine Gesellschaft, in der jeder Harry Potter kennt und die meisten es für grossartig, gar unfehlbar, halten - mich eingeschlossen. Natürlich gab es andere Bücher, für die ich so stark empfand (sogar stärker) wie für Harry Potter, aber die Gesellschaft hat ganz anders auf sie reagiert. Als Beispiel: Ich bin durch und durch ein Herr der Ringe Mensch. Aber viele Leute sind das nicht. Ja, natürlich es ist sehr bekannt und viele Leute lieben es, aber wenn man 9 Jahre alt ist, die Bücher das erste Mal liest und sie absolut liebt, dann ist man unter Gleichaltrigen sehr alleine damit. Ich habe mit 12 versucht, eine Freundin dazu zu bringen, mit mir die Filme zu schauen, aber es war zu viel für sie (Im Gegenzug haben wir Kill Bill geschaut - wovon ich jahrelang Albträume hatte. Kill Bill ist voll lustig, aber Herr der Ringe zu heftig - Pff!). Ich habe auch zwei meiner Geschwister gezwungen, die Bücher zu lesen (Bei der Letzten war ich alt genug um zu verstehen, dass sie das einfach nicht schaffen würde.) und daher habe ich an ihnen aus erster Hand miterlebt, dass die Bücher keine "leichte Lektüre" sind, im Gegenteil, dass es wirklich anstrengende Bücher sind. Harry Potter aber? Das kannte jeder und jeder hat es geliebt und in den Himmel gelobt. Und ich habe es geliebt und in den Himmel gelobt - habe ernsthaft keine Makel daran erkennt.

Und, ja, natürlich, es sind wirklich gute Bücher. Die neuentdeckte Magie durchzieht auf wunderbare Art und Weise das ganze erste Buch. Jedes Buch wird ein wenig älter. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet. Rowling scheut sich nicht davor, Charaktere auch sterben zu lassen und die Konsequenzen zu tragen. Es gibt so viele tolle Dinge, die in diesen Büchern vorkommen. Aber sie sind nicht  perfekt.

Bei anderen Büchern habe ich das irgendwann, gemächlich, gelernt. Mittlerweile habe ich auch  ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass Bücher nicht perfekt sind - und ich habe genug Verständnis um darüber hinwegzusehen. Das Problem mit Harry Potter war, dass es kein gemächliches lernen gab. Ich war so lange von dem Wissen umgeben und erfüllt, dass die Reihe einfach unglaublich ist. Und irgendwann ist dieses Wissen eingestürzt.

Das klingt dramatisch - und ist es wohl auch ein wenig, wenn auch nur für mich. 

Passiert ist aber eigentlich nur folgendes: Ich habe kapiert, dass es Dinge an Harry Potter gibt, die mich stören. Nein, ich gehöre nicht zu den Leuten, die Harry oder Ron oder sonstige wichtige Charaktere nicht mögen - ich bin so mit ihnen aufgewachsen, dass ich ihnen ihre Fehler mehr als verzeihen konnte, immerhin habe ich sie verstanden. Es liegt viel mehr an anderen Sachen. Es gibt einige Logiklücken, die mich stören und - ganz schlimm - die Häuser haben mich plötzlich sehr genervt. 

Ich meine - wieso gibt es keine einzige nette Person in Slytherin? Keine Person ist so stark nur einem einzelnen Haus zuweisbar, dass eine so starke Separation zwischen ihnen möglich sein sollte. Und ganz sicher sollte mindestens eine Person aus Slytherin kein Arschloch sein. Selbst zu den Zeiten, in denen Harrys Vater an Hogwarts war, waren alle Slytherin-Personen, von denen man etwas mitbekommt, fiese to-be Todesser. (Natürlich kann man über Snape ein wenig streiten, weil er mit Lily befreundet war, aber sie erwähnt ja selber, dass er fies zu anderen Personen war, nur halt zu ihr nicht, weil er in sie verliebt war.) Ja, natürlich, Konditionierung und Vorbildfunktionen tragen dazu bei, aber genervt hat es mich trotzdem plötzlich unglaublich. (Und Slytherin ist jetzt nur ein Beispiel, das gleiche Problem - anders ausgelegt - kommt in allen Häusern vor.)

Und was passiert, wenn das unfehlbare Optimum der Erzählungskunst plötzlich doch nicht mehr unfehlbar ist? Nach jahrelangem Konsum? Mit einer so tief verwurzelten Liebe? 

Ich habe also aufgehört, die Hörbücher zu hören. Ich habe mich aus vielen Diskussionen (also auch allgemein Umgebungen, in denen diese häufig anzutreffen sind) über Harrys Geschichte zurückgezogen. Ich habe die Filme nicht mehr geschaut. Ich war wütend auf Harry Potter, deshalb habe ich versucht, nicht mehr daran zu denken. Bei keiner anderen Geschichte ist mir so etwas jemals passiert, dass ich aus so viel Liebe in etwas gerutscht bin, dass man nur als Verachtung bezeichnen kann. 

So sind also die letzten Jahre vergangen. Ohne Harry Potter. Mit der Zeit haben sich meine aufgewühlten, wütenden, kindlichen Gefühle beruhigt. Ich bin schliesslich langsam von der verachtenden Gleichgültigkeit in eine ruhige Gleichgültigkeit gerutscht. Zunächst habe ich eine ganze Zeit lang behauptet, dass ich Harry Potter nicht mehr sonderlich mag, das wurde dann zu einem "ich weiss nicht genau, was ich davon halten soll" und schliesslich, in letzter Zeit habe ich wieder meinen Frieden damit geschlossen.

Ich habe etwa ein Jahr lang mit dem Gedanken gespielt, die Bücher mal wieder zu lesen - oder die Hörbücher zu hören (ich kenne die Geschichte wirklich so gut, dass ich die Bücher nur überfliegen würde und das ist auch ein wenig schade). Und endlich ist es so weit. Ich habe vor einigen Tagen angefangen, den ersten Teil zu hören und heute bin ich fertig geworden. Das erste Mal, seit Jahren. Das erste Mal, überhaupt, fähig eine etwas realistischere Einschätzung zu machen, die mehr darauf passt was ich (seit ich ein kleines Kind war) alles gelernt habe.

Was also ist die Konklusion des "Harry Potter Problems"?

Simpel: 
  1. Harry Potter ist eine gute Geschichte. Ich halte sie sogar für sehr gut.
  2. Trotzdem ist sie nicht unfehlbar - welche Geschichte ist das schon?
  3. Ich mag die Reihe sehr und ich werde sie wohl immer mögen.
  4. Ich bin nicht mehr blind für ihre Schwächen - aber das bin ich bei anderen Geschichten auch nicht, das ist also ok.
  5. Harry Potter wird wohl immer zu meinen Favoriten gehören.
  6. Manchmal braucht man einfach ein wenig Zeit.
  7. Perfektion ist überbewertet.
  8. (Ich werde wohl niemals mit irgendjemandes Stimme so gut einschlafen können, wie mit Rufus Becks.)

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