Anständig essen


Anständig essen von Karen Duve

Zusammenfassung:

Lebt es noch oder iss du es schon? Ein Selbstversuch. 
Karen Duve gehörte nicht eben zur Gesundheitsfraktion. Bratwürstchen und Gummibären wanderten genauso in ihren Einkaufswagen wie Schokolade und Curryketchup in 1-Liter Plastikflaschen. Doch dann zog sie mit jemanden zusammen der schnell den Spitznamen Jiminy Grille erhielt - nach dem personifizierten Gewissen der Holzpuppe Pinocchio. Denn Jiminy schrie auf, wenn Karen Duve nach der "Grillhähnchenpfanne für 2,99" griff. Und Duve musste einräumen, dass das Leben der "Grillhähnchenpfanne" vor ihrer Schockfrostung wohl eher unerfreulich gewesen war. So stellten sich vor der Tiefkühltruhe schnell grundlegende Fragen: Darf man Tiere eigentlich essen? Und wenn Tiere nicht, warum dann Pflanzen? Wo beginnt die menschliche Empathie, und warum? Was sind wir bereit aus Rücksicht auf die Mitlebewesen zu opfern? Oder können wir sogar einen persönlichen Gewinn daraus ziehen, unsere Gewohnheiten zu ändern?
So beginnt ein Selbstversucht, in dem Duve jeweils zwei Monate lang eine neue Ernährungsweise testet: Zuerst nur Bio, dann vegetarisch, vegan und schliesslich auch frutarisch.

Rezension:
Gleichzeitig rührte es mich, dass ein Mensch so viele Einschränkungen und Komplikationen ertrug, um Pflanzen und Tiere zu schonen, und dafür auch noch den Hohn der restlichen Menschheit in Kauf nahm. 
Dieses Buch gehört zu der Sorte, die mir meine Mutter vor ein paar Jahren empfohlen hat; es war nämlich das Buch, welches sie dazu bewogen hat, Vegetarier zu werden. Da ich mich mit 9 oder so schon dazu entschieden hatte, kein Fleisch mehr zu essen (ich kann mich ehrlich gesagt einfach nicht mehr daran erinnern, wann genau ich angefangen habe, vegetarisch zu sein, es ist zu lange her, ausserdem hatte ich zunächst noch eine Phase, in der ich Fisch gegessen habe, weil ich "jung und dumm" war, oder so, und dann hat man mir nochmal erst später mitgeteilt, was es mit Gelatine auf sich hat, also könnte man wohl auch sagen, dass ich erst mit 12 oder so wahrhaft vegetarisch war, aber das ist mir jetzt alles zu kompliziert, man soll sich selber aussuchen, wie man mein junges ich betrachten will) und beinahe unsere ganze Familie mittlerweile vegan lebt könnte man zwar meinen, dass dieses Buch lesen eine Zeitverschwendung war (zumindest sieht es meine kleine Schwester so), aber tatsächlich war es ziemlich interessant.

Für mich war vor allem interessant, zu sehen, wie Duve, die aus einem ganz anderen Umfeld/Kulturkreis kommt wie ich, mit ihrem neu erlernten Wissen umgeht. Vielleicht liegt es daran, dass ich einfach viel weniger Probleme damit habe, auf Dinge zu verzichten, vielleicht ist mein moralischer Kompass einfach anders kalibriert, sicher habe ich (alleine durch meine Familie) viel mehr Unterstützung, wenn ich meinen Konsum umstelle, um Tier und Umwelt zu schonen, aber mir kam es nie schwer vor, meine Ernährung umzustellen. Klar hatte ich immer kurze Momente, besonders direkt nach der Umstellung, in der ich dachte "boah, da riecht was fein", aber das hat sich dann nie ausgedehnt auf ein "ich würde XY dafür geben, dass jetzt essen zu dürfen". Für mich war immer klar, das sich essen darf, was ich will und ich wollte die Dinge nie mehr essen, denen ich abgeschworen habe. Duve hingegen, hat daraus eine Verantwortung gemacht und hatte viel mehr damit zu kämpfen, als ich das jemals musste. Und genau das zu beobachten fand ich interessant.

Allerdings muss auch gesagt sein, dass es einige Passagen in dem Buch gab, welche, für mich persönlich, einfach redundant waren. In einem ganzen Kapitel geht es um Evolution, was ich in der Schule schon weit genug durchgenommen habe um nur fades, wiedergekautes Wissen darin finden zu können. In einem anderen geht es um den Milchkonsum und Laktoseintoleranz, worüber ich im Zuge meiner Entscheidung, vegan zu werden, schon mehr als genug erfahren habe. Und so weiter. Nun muss das natürlich nicht bedeuten, dass diese Kapitel überflüssig sind, sie sind nur halt auch eher für Menschen gedacht, die sich noch gar nie, oder nur minimal, mit einem solchen Thema beschäftigt haben und ich glaube (wenn ich es auch nicht mit Sicherheit sagen kann), dass es dafür ziemlich geeignet ist.

Weiterhin habe ich allerdings auch zu kritisieren, dass Duve öfters davon spricht, dass Menschen, die vegetarisch/vegan/frutarisch Leben, "die besseren Menschen" oder sowas sind, was mir persönlich gegen den Strich geht. Viele Menschen sind sich ja auch gar nicht der Zustände bewusst, welche hinter den Kulissen leben. Kultur spielt eine wichtige Rolle, Gewohnheiten, die nicht für jeden gleich leicht zu brechen sind. Und grundsätzlich ein Mengel an Wissen über eine Ernährungsweise. Das fällt mir halt auch immer wieder auf, dass Menschen ein regelrechtes Vakuum an Wissen darüber haben, was man isst, wenn nicht alles voller Milch und Käse ist (vegetarische Ernährung verstehen die Meisten noch, weil "man ja einfach Käse anstatt Fleisch konsumiert"). Es gibt, zum Beispiel, wunderbare vegane Schokolade (Vego Schokolade, ichoc... - wir waren lange eine definitive ichoc-Familie, mittlerweile achten wir aber vermehrt darauf, möglichst wenig Plastik-Müll zu produzieren und ichoc ist in Plastik verpackt, also wurde das erstmal etwas boykottiert, auf liebevollste Weise, versteht sich), wunderbare vegane Schokoladen-Kochbücher (Vegan Chocoholic - wer Margarine nicht so mag, kann diese auch einfach mit Kokosfett/mousse ersetzten, man sollte davon allerdings ein ganzes Stück weniger nehmen - sonst gibt es Stichflammen im Ofen. Ups.) und sogar wunderbare vegane Dinge, die nicht mit Schokolade zu tun haben, aber das würde zu schnell entarten und die Grundsätzlichkeiten sind mit Schokolade schon gedeckt. 

Wo genau war ich stehen geblieben? Ach, ja, ich wollte noch Anmerken, dass der Schreibstil nicht wirklich mein Fall war. Es ist ok, aber hat irgendwie einen "ich führe ein Interview mit jemanden und er lächelt mich entzückt an, während er an seinem Milchkaffee mit extra Zucker nippt"-Ton (falls das Sinn macht, ich weiss nicht, wie ich es anders erklären kann), der einfach nicht mein Fall ist. 

Bewertung:

Also, wie jetzt hoffentlich klar ist, wenn man es geschafft hat, über meine Schokoladen-Sucht hinweg zu sehen, halte ich dieses Buch zwar für interessant, aber eher auf einer fundamentalen Ebene. Ich bereue es keinesfalls, es gelesen zu haben, trotzdem ist es für mich eher ein 3/5 Sterne-Buch.

Details:

Name: Anständig essen
Autor: Karen Duve
Verlag: Galiani
Seitenanzahl: 335

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