Auslöschung (Southern Reach #1)


Auslöschung (Southern Reach #1) von Jeff Vandermeer

Zusammenfassung:

Seit ein mysteriöses "Ereignis" vor mehr als dreissig Jahren das Gebiet erschütterte, ist Area X von einer unsichtbaren Grenze umgeben. Niemand weiss genau, was dahinter geschieht, aber es gibt Gerüchte von einer sich verändernden und die Reste der menschlichen Zivilisation überwuchernden Natur, die ebenso makellos wie bedrohlich ist.
Zuständig für das Gebiet ist eine geheime Regierungsorganisation, die sich "Southern Reach" nennt und den Auftrag hat, herauszufinden was hinter der Grenze geschieht.

Rezension:
Der Einstieg zum Treppenschacht fiel in einer Krümmung steil nach unten ab, und die Stufen waren so schmal, dass die Vermesserin rückwärts hineinging. Mit Stöcken befreiten wir den Eingang von den Spinnennetzen, während sie sich vor den Einstieg hockte. Sie wippte vor und zurück, die Waffe quer über den Rücken, und schaute uns an. Die Haare hatte sie sich zu einem Pferdeschwanz gebunden, was ihre Gesichtszüge streng und verhärmt wirken liess. War das der Moment, in dem wir sie hätten aufhalten sollen? Einen anderen Plan entwickeln? Wenn ja, dann traute sich keine von uns.
Normalerweise, wenn ich ein (sehr) gutes Buch lese, versuche ich möglichst wenig darüber zu erzählen, bevor mein Gegenüber es nicht selbst gelesen hat. Das liegt daran, dass ich finde, man sollte am besten so wenig wie möglich über eine Geschichte wissen, um die grösstmögliche Empfindlichkeit bezüglich dem Storytelling und der Atmosphäre an den Tag legen zu können.  Nun, hier finde ich mich in einer Position wieder, in der ich etwas ausführlicher werden will (das liegt vor allem daran, wie speziell die Geschichte an vielen Stellen wirkt, es hat, irgendwie, mehr Erklärung verdient, teilweise sogar nötig - ganz ähnlich, wie bei Die Selbstmord-Schwestern). Solltest du der gleichen Überzeugung sein, wie ich es sonst immer bin, so ist hier die Kurzfassung: 
Ich fand die Geschichte grossartig. Die Atmosphäre hat mich in ihrer Einzigartigkeit regelrecht verschlungen und mich gnadenlos in die Tiefen des Mysterium gezogen. Die Erzählperspektive ist perfekt gewählt und ausgezeichnet umgesetzt. Obwohl ich jetzt schon unheimlich auf die nächsten Teile gespannt bin, wäre ich auch zufrieden, wäre das ein eigenständiges Buch, obwohl so viele Mysterien ungelöst bleiben und man kaum etwas versteht, in seiner Unheimlichkeit, wirkt doch alles so stimmig (mit der ganzen Geschichte, der grossen Ahnungslosigkeit, welche Area X umgibt, der unbestimmbaren Atmosphäre), dass ich ein derart offenes Ende sehr wohl hätte akzeptieren können.
Als wir dann endlich so weit waren, die Grenze zu überschreiten, wussten wir alles... und wussten doch nichts.
Wie ich jetzt vielleicht schon deutlich genug hervorgehoben habe, ist die grosse Stärke dieses Buches seine Atmosphäre. Und Vandermeer hat hier wirklich eine einzigartige Atmosphäre geschaffen. Es ist das eine, eine Welt zu erschaffen, in der es ein Gebiet, welches so mysteriös wie Area X ist, gibt, aber eine ganz andere, dieses Mysterium so sehr hinter den Worten eines Buches pulsieren zu lassen, dass es regelrecht in den Leser hineinzusickern scheint. Um diesen Effekt zu erreichen, erkenne ich besonders einem Faktoren grosse Wichtigkeit an, und das ist die Erzählperspektive.

Vandermeer hat das Eintauchen in die Perspektive der Biologin ungemein gut gemeistert. Es gibt keine unnötigen Expositionen, welche aus ihrer Sicht unlogisch gewesen wären, so erschliesst sich die Welt, welche der Autor erschaffen hat, nur nach und nach, durch aufmerksames beobachten und ständiges Erfahren. Man erhält z.B. keine Erklärungen bezüglich der Gesellschaftsstruktur, nicht einmal welche bezüglich Area X, da die Biologin davon ausgeht, das alles, was sie bis zu ihrer speziellen Ausbildung drüber wusste, schlichtweg Allgemeinwissen war. So befindet man sich als Leser in der einzigartigen Situation, absolut gar nichts über Area X zu wissen, gleichzeitig aber kopfüber in sie geworfen worden zu sein.

Ein weiterer, entscheidender Faktor ist die unangenehme Klarheit in Bezug auf die Korruption der Missionsleiter/Regierung, dadurch, dass man weitgehend von den äusserlichen Umständen der Expedition isoliert geblieben ist, also man nicht mitbekommen hat, welche Art der Propaganda auf die allgemeine Bevölkerung ausgeübt worden ist, und dieser auch nicht unterliegen konnte. Die Distanz, sowohl zum Rest der Welt, als auch zu den Mitgliedern der Expedition, ermöglichst eine aussergewöhnliche Objektivität der Betrachtung, obwohl man die Umstände nur aus einem paar Augen wahrnehmen kann. (Dass das paar Augen auch sehr gut gewählt worden ist, spielt natürlich eine weitere, grosse Rolle.)

Erst gegen Ende der Geschichte gibt es eins, zwei (eigentlich ist es wirklich nur ein Ding), Kleinigkeiten, welche mich ein wenig gestört haben, beziehungsweise, welche die Atmosphäre, in meinen Augen, "entkräftet" haben. Da dies wirklich erst am Ende der Fall war, möchte ich möglichst wenig konkret werden, es hat allerdings damit zu tun, dass die Biologin sehr früh schon einige Vermutungen aufstellt und sehr fest davon überzeugt ist. Zu dem Zeitpunkt, da sie dies tut, fällt es zwar nicht weiter negativ auf, aber am Ende lässt es einige Enthüllungen antiklimaktisch wirken. 
Allerdings hält dieser "Zustand", der gedämpften Atmosphäre, nicht sonderlich lange an (vielleicht 30 Seiten oder so), und direkt danach verdichtet sich die Geschichte wieder extrem und besonders das Ende ist, auf eine spezielle Art, sehr zufriedenstellend.

Bewertung:

Ich habe keine Ahnung, wie offensichtlich das jetzt ist, aber ich habe mich für 4.5/5 Sternen entschieden, weil weil. 

Details:

Name: Auslöschung
Original: Annihilation
Autor: Jeff Vandermeer
Verlag: Kunstmann
Seitenanzahl: 240
Wo?: Amazon

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