Schloss aus Glas
Schloss aus Glas von Jeannette Walls
Zusammenfassung:
Jeannette Walls ist ein glückliches Kind: Ihr Vater geht mit ihr auf Dämonenjagd, holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett zu gehen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln? Doch irgendwann ist das Bett ein Pappkarton auf der Strasse, und eine Adresse gibt es schon lange nicht mehr.
Rezension:
Uff... Was kann ich über dieses Buch schon gross sagen? Es ist grossartig, wunderschön und unendlich frustrierend.
Die Sprache (zugegeben, ich habe es auf englisch gelesen, also kann ich diesbezüglich nichts zur deutschen Übersetzung sagen) passt unendlich gut zur Perspektive, die man einnimmt. Tatsächlich hat sie mich stark an To Kill a Mockingbird erinnert, man fühlt sich wirklich wie Jeannnette in ihrem Alter (die Sprache scheint sogar mit ihr erwachsen zu werden, bzw. wenn sie das nicht tut, so kam es mir wegen der gesamten Atmosphäre trotzdem so vor). Ausserdem, und das ist in diesem Fall unheimlich effektiv, um sich richtig in die Geschichte einzufühlen, gibt es keine Kommentare zum Geschehen. Das heisst, dass die erwachsene Walls keinerlei Stellung zu den "aktuellen" (im Sinne des Buches) Ereignissen einnimmt, man bekommt alles nur aus der Perspektive ihres jüngeren Selbst mit und muss sich (gegebenenfalls) selber ein Urteil darüber machen. Hier gibt es eine Stelle, die mir besonders aufgefallen ist (also, nicht wirklich eine Stelle, aber ein Thema), und zwar die Geschichten, die ihr Vater ihnen erzählt. Man bekommt, wie Jeannette, von seinen grossartigen Abenteuern erzählt und sieht ihn, durch ihre Augen, als einen grossartigen, mutigen Mann. Ich, persönlich, habe auch zu den Kindern gehört, die ihren Eltern einfach alles geglaubt haben und in dem Moment, so wie ich in die Erzählung verwickelt war, habe ich nicht einmal gemerkt, dass ich, wie Jeannette, blindlings alles geglaubt habe, was ihr Vater erzählt hat, obwohl ich mir schon vor Jahre abgewöhnt habe, zu viel auf abenteuerliche Geschichten, die von Eltern ihren Kindern erzählt werden, zu geben.
Der Anfang der Geschichte ist einfach so unendlich schön, voller Melancholie bezüglich einer Kindheit, die man selber nie erlebt hat, obwohl man (also ich) immer wieder merkt, dass sie in Verhältnissen stattfindet, die man (also ich) nicht gewöhnt ist und teilweise auch überhaupt nicht gutheissen würde. Es ist unheimlich interessant, besonders für jemanden wie mich, die ich die Welt so gerne durch andere Augen betrachte.
Aber natürlich schwindet diese anfängliche Melancholie mehr und mehr, genau so, wie sich Jeannettes Weltvorstellung mehr und mehr verschiebt und ihre glorifizierte Bewunderung zu bröckeln beginnt. Ich will nicht zu weit auf dieses Thema eingehen, aber ich möchte festhalten, dass mich das Verhalten ihrer Eltern wirklich immer wütender und frustrierter gemacht hat. Gleichzeitig habe ich sie allerdings immer noch unheimlich differenziert wahrgenommen, was einfach wundervoll ist (es gibt nie genug gute Charaktere - ja, auch wenn sie aus der Realität übernommen werden, kann man nicht einfach davon ausgehen, dass jede Person so vielschichtig dargestellt wird, wie sie es ist). Ich musste das Buch teilweise wirklich kurz weglegen, weil ich so unendlich wütend auf ihren Vater war. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass das alles echt passiert ist, obwohl ich mich gefühlt habe, als stünde ich direkt daneben und würde alles mitansehen.
Ausserdem hat Walls etwas gemacht, dass ich schon so oft gepredigt habe: Sie hat Gefühle oft nicht konkret ausgeschrieben. Man fühlt sich in eine Szene ein, nicht indem man gesagt bekommt, was man fühlen muss, sondern indem man durch Beschreibungen die ganze Atmosphäre einfach miterlebt, was zu den Dingen gehört, die ich bei Geschichten liebe (und an Autoren verehre).
Bewertung:
Eine grossartige Darstellung der Situation, vielschichtige Charaktere und das mit einer brillanten Atmosphäre - 5/5 Sternen.
Details:
Name: Schloss aus Glas
Original: The Glass Castle
Autor: Jeanette Walls
Verlag: Diana Taschenbuch
Seitenanzahl: 400
Wo?: Amazon
Hi :o)
ReplyDeleteWas für eine Einleitung! Alleine mit der Inhaltsangabe hast du mich schon von der Geschichte überzeugen können. Das hört sich wirklich gut an.
Deine weiteren Worte zum Buch haben diesen Ersteindruck nochmal bestätigt. Alleine, dass dich diese Geschichte so berühren konnte, spricht schon für den Schreibstil. Der Vater scheint ein ganz besonderer Mensch zu sein. Das Buch wandert gleich mal auf die Merkliste.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hi :)
DeleteJa, das Buch hat es echt in sich, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Geschichte wahr ist, aber ich kann es, auch jetzt noch, wirklich nur empfehlen. Ist auch, was Nonfiction angeht, sehr einfach zu lesen, weil man einfach in der Geschichte versinkt. Freut mich, dass es dein Interesse wecken konnte. :D